Was ist Hochsensibilität?
„Du bist aber empfindlich!“ – Meine persönliche Geschichte
Wer den Begriff Hochsensibilität, Hyper-Sensibilität oder auch Hochsensitivität hört, assoziiert ihn leicht mit einer Krankheit, die Therapie braucht. Und das ist zunächst immer negativ besetzt. Doch Hochsensibilität ist ein Wesenszug und vor allem eine Gabe, die viele positive Eigenschaften wie Kreativität und Empathie mit sich bringt und das Leben bereichern kann.
Von der Definition her kann man sie als eine psychologische und neurophysiologische Ausprägung bezeichnen. Sätze wie „Stell dich nicht so an!“, „Entspann dich mal“ oder “ Du Sensibelchen“ hören hochsensible Personen (kurz: HSP für „Highly Sensitive Person“) mehr als einmal in ihrem Leben. Geräusche sind lauter als normal, Gerüche riechen intensiver, Berührungen sind schneller unangenehm. Alltägliche Dinge verursachen Stress. Erstmals erwähnt wurde der Begriff Hochsensibilität 1996 von der US-Psychologin Elaine N. Aron. Sie entwickelte einen Test, um eine „Sensory Processing Sensitivity“ festzustellen. Sie fand damit auch heraus, dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind.
Erschöpfung im Alltag

Während der letzten Jahre merkte ich, dass sich meine Sinne immer stärker ausgeprägt haben, ich immer dünnhäutiger wurde und mich selbst alltägliche Dinge wie Autofahren oder ein Restaurantbesuch extrem schnell stressten. Ich kam vom Einkauf nach Hause und wunderte mich, wieso ich denn verdammt nochmal so erschöpft war und mich am liebsten hingelegt hätte. Wenn ich so zurückblicke, verspürte ich schon Anfang meiner 20-er Jahre, dass ich immer wieder Ruhe brauchte und oftmals keine Lust hatte, unter Leute zu gehen und alleine sein wollte. Mich haben auch bestimmte Aussagen sehr schnell verletzt. Nicht selten wurde ich deswegen komisch angeguckt oder bekam einen Spruch wie „Du bist aber empfindlich!“ gedrückt und ich war schnell überzeugt, dass eben was nicht mit mir stimmte und ich anders bin als die anderen.
Das Gefühl, anders zu sein
Das Gefühl von Anderssein, sich nicht dazugehörig fühlen und ein Außenseiter zu sein, hat sich bei mir schon sehr früh eingestellt. So richtig gespürt habe ich es, als ich von der Grundschule aufs Gymnasium wechselte. Ich kam mit einer guten Freundin aus der Grundschule in eine Klasse und hatte überhaupt kein Bedürfnis, neue Leute kennenzulernen. Die anderen wirkten alle so offen und gesprächig, doch ich wollte mich nicht öffnen und fühlte mich einfach komisch und anders.
Hochsensibilität wird oft nicht erkannt
Ich denke, dass ich bereits als sehr sensibles Kind auf die Welt gekommen bin. Dies wurde aber von meinem Umfeld nicht erkannt und nicht berücksichtigt. So geht es wahrscheinlich vielen hochsensiblen Menschen. Es sind einige Dinge in meiner Kindheit passiert, die für meine Sensibilität „Gift“ waren und diese mit Füßen getreten haben. Es kann aber möglich sein, dass sich die Hochsensibilität auch zu einer Art Schutzmechanismus entwickelt oder gesteigert hat. So lebt man sein sein halbes Leben im Überlebensmodus.
Reizüberflutung führt zu Erschöpfung
Am schlimmsten sind für mich die Geräuschempfindlichkeit und rasche Reizüberflutung. Höre ich irgendwo Hintergrundgeräusche oder viele Stimmen, kann ich mich kaum konzentrieren und fühle mich nervös und gestresst. Nachts schlafe ich meistens mit Ohrstöpsel und sobald ich Tatütata höre, halte ich mir die Ohren zu. Das hohe Stresslevel und die Reizüberflutung führen dann schnell zur Erschöpfung. Kein Wunder. „Ihre Wahrnehmung erfasst ein wesentlich breiteres Spektrum“, sagt Birgit Trappmann-Korr, Sozialpsychologin aus Rheinberg in Nordrhein-Westfalen, über hochsensitive Menschen. Nachdem mich ein Freund und Coach auf den Begriff Hochsensibilität brachte, fing ich an zu recherchieren.
Dagegen ankämpfen hilft nicht
Für mich war schnell klar: die Besonderheit dieser intensiven Gefühlswelt in mir lässt sich positiv nutzen und es bringt überhaupt nichts, dagegen anzukämpfen und sich abhärten zu wollen. Außerdem kann man aktiv etwas tun. „Wohin man seine Aufmerksamkeit lenkt, welche Reize man zulässt und welche man ausblendet, lässt sich außerdem trainieren“, berichtet die Wissenschaftlerin und Buchautorin Birgit Trappmann-Korr. Zu diesen positiven Facetten gehört, dass Hochsensible feinfühlig in sozialen Beziehungen sind und Dinge wahrnehmen, die andere nicht wahrnehmen.

Wir nehmen viel mehr wahr
Trappmann-Korr bezeichnet Hochsensibilität gerne als „Wahrnehmungsbegabung“, weil die Betroffenen so feine Antennen haben, dass sie Dinge bemerken, die anderen verborgen bleiben. Fähigkeiten wie Kreativität, Denken in größeren Zusammenhängen, Wahrnehmung von Komplexität und Genauigkeit sind Fähigkeiten, die auf mich zutreffen und die ich nutzen kann und möchte. Schon kleine Dinge erlebe ich sehr intensiv und schätze diese sehr. Doch man muss lernen, Nein zu sagen. Selbstfürsorge und Abgrenzung haben für mich oberste Priorität (darauf gehe ich genauer unter dem Menüpunkt „Selbstfürsorge“ ein).
Eins ist aber klar: auch zartbesaitete Instrumente machen schöne Melodien.
- Besondere Fähigkeiten von hochsensiblen Menschen sind „starke Emotionen“.
- Hier geht es zum Test „Bin ich hochsensibel“.
- 5 Eigenschaften, die Hochsensibilität auszeichnen, findest Du hier in einem Blog-Beitrag von mir.