Reizüberflutung

Charakteristisch für hochsensible Menschen ist es, dass ihr Nervensystem Reize nicht filtern kann und somit die volle Flut von Reizen auf sie hereinströmt. Verschiedene Geräusche oder ein sehr lautes Geräusch, Stimmen oder visuelle Reize können schnell zu Anspannung, starkem Stress, Erschöpfung und Fluchtgedanken führen. Ist die Anspannung zu groß, geht man in eine Art Überlebensmodus.
Vermeidung von stressigen Situationen
Man könnte argumentieren, dass man sich in solche „reizvollen“ Situationen regelmäßig begeben sollte, um sich daran zu gewöhnen. Ich persönlich habe es nie geschafft, mich daran zu gewöhnen und es hängt auch von meiner tagesaktuellen Verfassung ab, ob ich schneller gestresst bin. Vor allem wenn ich etwas erzähle oder jemandem zuhöre, bringt mich ein Nebengeräusch total aus der Fassung und lenkt mich ab. Es gibt bestimmte Situationen, die ich einfach so gut wie möglich vermeide, weil ich weiß, dass ich dann keinerlei Genuss oder Spaß empfinden werde. Dazu gehört zum Beispiel der Besuch einer Kirmes, Urlaub in einem großen Hotel, an einem Samstag ins Shopping-Center zu gehen oder (mit dem Auto) eine Großstadt zu besuchen.
Schnell ist die Grenze erreicht
Vor ein paar Wochen fand ein Kinderkleidermarkt in einem Shoppingcenter statt. Als ich dort ankam und die riesige Schlange sah, rührten sich erste Reuegefühle. Nachdem wir Eintritt bezahlt hatten, dachte ich dann: „Okay, Shit, wieso in aller Welt wolltest Du hierhin?“ Es war so voll, dass man teilweise einfach nur stand und es nicht weiterging, es war warm, ein Wirrwarr an Stimmen, die Gänge eng und mein Sohn im Kinderwagen fing natürlich auch schnell an zu quengeln. Somit hatte ich schon recht fix meine Grenze überschritten und wollte nur noch nach Hause. Mein Mann kaufte dann noch ein paar Dinge, da ich nicht mehr in der Lage war, mir irgendwas anzuschauen. Nach der Hälfte der Strecke sind wir dann auch gefahren und ich war absolut erschöpft. Die Energie des Tages war verbraucht. Ich denke das mache ich so schnell nicht wieder!
Urlaub kann zum Killer werden

Eine andere Situation kam direkt am ersten Tag unseres Sommerurlaubs auf. Mein Mann, seine Tochter, unser Sohn und ich sind morgens zum Flughafen gefahren. Das kennt man ja; früh da sein, einchecken, Sicherheitskontrollen, dann warten. Nachdem wir dann gelandet waren, wurden wir abgeholt und fuhren zur Mietwagen-Station. Dann hieß es nochmal zwei Stunden bis zum Urlaubsort fahren. Der kleine Mann war nur noch am nörgeln, ihm bekam die kurvige Strecke nicht.
Panisch und wie versteinert
Als wir dann endlich abends ankamen, wollte mein Mann so schnell wie möglich ins Restaurant in der Nähe unserer Unterkunft. Dort waren auch schon meine Schwiegereltern, die bereits seit ein paar Tagen dort Urlaub machten. Wir betraten also die Taverne und blitzschnell kam in mir Panik auf. Es war brechend voll und dementsprechend laut. Ich setzte mich hin, war wie versteinert und konnte gar nichts mehr sagen. So ein extremes Gefühl habe ich noch nie gehabt. Alles in mir wollte hier nicht sein. Ich wollte in Ruhe ankommen, mir alles angucken, ein wenig auspacken und einfach Ruhe haben. Ich hatte das leider nicht gut genug kommuniziert und wollte meinem Mann auch nicht die Freude auf das Essen (mit seinen Eltern) verderben. Aber leider funktioniert es nicht immer, wenn man sich zurückstellt und denkt: „Da muss ich durch!“
Die Tränen müssen raus
Ich bestellte Pommes, sagte dann aber ich müsse aufs Klo. Da ich den Schlüssel unseres Apartments hatte, bin ich dorthin und habe dort erstmal einen krassen Heulkrampf bekommen. Klar, es war alles zu viel und ich brauchte dringend Ruhe. Noch dazu kam, dass unser Apartment direkt an einer Straße lag und der Wind laut pfiff. Ich hatte große Sorge, dass es viel zu laut sein würde und ärgerte mich einerseits über mich, dass ich mich bei meinem Mann nicht genug erkundigt hatte. Andererseits war ich wütend auf meinen Mann, weil er so eine potenziell laute Location ausgewählt hatte.
Ruhephasen auf Reisen unbedingt einplanen
Ich war dann auch nicht mehr in der Lage, in die Taverne zurückzugehen. Ich dachte: „Was werden meine Schwiegereltern jetzt von mir denken?“. Leider kommen mir solche Gedanken öfter. Mein Handy war bei meinem Mann. Der kam dann nach einer Stunde zurück und war zunächst etwas verärgert. Später konnte er es dann aber auch nachvollziehen. Ich hoffe, dass ich daraus gelernt habe. Solche extrem anstrengenden Tage muss man anders planen und früh genug kommunizieren, dass Pausen und Ruhephasen nötig sind.
Spontanität ist Mangelware
Planänderungen und neue Situationen sind für die meisten Hochsensiblen belastend. Die Ungewissheit, was nun passieren wird, bedeutet eine Umstellung, die kaum zu leisten ist. Gewohnheit gibt Sicherheit, denn man kennt die Situation, die Menschen, die Lautstärke und Rückzugsmöglichkeiten. Flexibilität und Spontanität sind daher bei Hochsensiblen in vielen Fällen, auch bei mir, vergeblich zu suchen.
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